“An Originalität ließ es der Liederabend von Maria Guleghina in der Deutschen Oper nicht fehlen. Die berühmte ukrainische Sopranistin, seit langem eine der herausforderndsten Stimmen im hochdramatischen Opernfach, schlich sich geradezu durch einen Wald von Glinka-Liedern, mit denen nicht viel Stimm-Staat zu machen ist, die Umwege gewissenhaft kostend, an ihre eigentliche Domäne heran: die der Stimmexplosionen. Aber auch die werden in den Liedern von Bellini, Donizetti und Rossini nur wie mit dem Tropfenzähler gespendet.

Natürlich hat auch Glinka in Italien für den russischen Salon und seine Sehnsüchte nach Melancholie und venezianischem Ruderschlag Inspiration getankt. Überdies war er als Komponist ein ausgesprochener Edelmann. Viel Frische ist nicht um ihn, stattdessen erlesener Geschmack, wie ihn auch Frau Guleghina besitzt. Und diesen Geschmack kostete Frau Guleghina mit feinem Empfinden aus, bald melancholisch vernebelt, bald aufgeheitert. Salon-Gefühle, piekfein, wenn auch nicht sehr abwechslungsreich. Elfmal Glinka gab’s bis zur Pause, jedes Lied mit Beifall bedankt. Das muss selbst die Diva aus der Stimmung reißen.

Guleghina sang dagegen an. Sie kehrte ausgiebig heim nach Venedig. Wieder wechselte sie von der Melancholie zur Heiterkeit und zurück, und als sie bei den Regatten Rossinis angelangt war – als etwas schlagarmer Gondoliere wirkte Ivary Ilya am Klavier – wies sie auch nach, was für ein großes Bühnentalent ihr gegeben ist. Man möchte sie gern in angemessenen Rollen wieder hören. Die der Liedsängerin gibt nichts als Kostproben der ihr eingeborenen Vorzüglichkeit.”

Berliner Morgenpost